Die Saison 2024/25 ist noch jung, doch Schlussmann Samuel Sahin-Radlinger hat in seiner Premieren-Spielzeit mit Austria Wien schon turbulente Wochen erlebt. Erst das bittere Aus in der Europa-Conference-League-Qualifikation, dann die ADMIRAL Bundesliga-Auftaktniederlage beim FC Blau-Weiß Linz und am Sonntag der ersehnte erste Sieg national (im ÖFB-Cup spielte Mirko Kos). Ligaportal sprach mit dem 31-jährigen Rieder im "Give-me-five"-Interview (5 Fragen = 5 Antworten) über die Analyse des 3:1-Erfolges gegen den WAC, seinen neuen Abwehrchef Aleksandar Dragović und was RB Salzburg beim FC Twente erwartet. 

Samuel Sahin-Radlinger bewahrte die Wiener Austria in der 67. Spielminute mit einer Glanzparade gegen Thierno Ballo vor einem 0:2-Rückstand. Postwendend gelang Gruber der 1:1-Ausgleich und fortan konnte der FAK-Keeper die Wende der Veilchen samt Doppelpack in der Nachspielzeit nahezu beschäftigungslos genießen.

"Wir waren geduldig, haben auf unsere Momente gewartet"

LIGAPORTAL: Hallo Samuel, Gratulation zu deinem ersten Bundesligasieg und den ersten Punkten mit der Wiener Austria. Wie groß ist die Erleichterung, und wie fällt die Spielanalyse aus? Was war der Schlüssel zum Erfolg über den WAC?

Samuel Sahin-Radlinger: Die Erleichterung war generell nach dem Spiel und auch am Tag danach noch spürbar. Da ist doch einiges von unseren Schultern gefallen, weil die letzten Wochen ergebnistechnisch nicht so einfach waren. Wir wollten gegen den WAC unbedingt die drei Punkte daheim lassen, den Sieg für uns und vor allem auch für die Fans holen, weil sie uns trotz der Startschwierigkeiten wirklich überragend unterstützt haben. Es fühlt sich richtig schön an.

Wir haben uns heute die Daten und Fakten zum Spiel angeschaut. Ich denke, dass wir wirklich über die 90 Minuten sehr dominant waren und unser Spiel größtenteils auf den Platz gebracht haben. Dann kam dieser kleine Rückschlag nach 25 Minuten. Bis dahin hatten wir das Spiel ganz fest in der Hand.

Wir sind trotz des 0:1 nicht von unserem Plan abgewichen und haben gewusst, dass wir geduldig bleiben müssen. Die Einwechslungen haben dann auch alle gefruchtet: der Fitzi (Anm.: Dominik Fitz) mit Tor und Assist, der Muki (Muharem Huskovic) mit einem Tor. Und dann der Konsti (Konstantin Aleksa, 17 Jahre) mit seinem 80-Meter-Sprint bei gefühlten 36 km/h, um dann noch für Fitzi vorzulegen.

Wir haben es nach dem Spiel im Kreis auch nochmal gesagt, dass uns ausmacht, eine richtig gute Einheit zu sein. Denn für Fitzi und Muki ist es sicherlich nicht einfach, auf der Bank zu sitzen, dann nach einer Stunde reinzukommen und das Spiel zerreißen zu wollen. Das haben sie alle gemacht, und das macht dann auch im Endeffekt eine gute Mannschaft aus.

Wir waren geduldig, haben auf unsere Momente gewartet. Natürlich hat uns am Schluss auch die rote Karte begünstigt. Aber ich glaube, dass wir auch so die ein oder andere Chance bekommen hätten, weil wir eben so dominant waren.

"Da muss ich in der Fluglinie des Balles bleiben und mich darauf konzentrieren"

LIGAPORTAL: Kleiner Wermutstropfen war das Gegentor. Die Experten haben dich da freigesprochen. Es war ja auch ungünstig und undankbar für dich. Scharfer Freistoß auf die erste Stange, dabei springt vor dir Hüne Simon Piesinger hoch. Wo hast du die Fehlerquelle ausgemacht und wie hast du es aus deiner Sicht erlebt? Hast du überhaupt den Ball gesehen, bevor er im Netz lag?

Samuel Sahin-Radlinger: Ich stelle mir die Mauer schon so, dass ich den Ball links an der Mauer vorbeisehen kann. In dem Moment schießt er natürlich auch sehr scharf, die Reaktionszeit ist sehr kurz. Und dann war schon der Piesinger vor mir. Das waren die kleinen Faktoren, die zum Gegentor geführt haben. Das war sicher ein Tor, das viel Diskussionsstoff mit sich bringt.

Wir haben das in der Analyse 15 Mal angeschaut, gemeinsam mit Udo Siebenhandl (Anm.: Tormanntrainer). Ich nehme mich da aus der Kritik nicht heraus. Wir müssen, wenn der Ball so kommt, nach einem – zugegeben – extrem gut getretenen Freistoß und dem guten Reinlaufen von Simon, den Piesi besser blocken.

Er läuft da zu einfach rein und steht dann direkt vor mir. Wenn er den Ball mit voller Wucht in die kurze Ecke köpft, dann ist nichts zu machen. In dem Fall erwischt er den Ball nicht, streift ihn nur etwas. Das ist das, was ich mir im Endeffekt ankreiden muss. Da muss ich in der Fluglinie des Balles bleiben und mich darauf konzentrieren.

Wenn er dann ins kurze Eck köpft, habe ich sowieso keine Chance. Ich habe noch versucht, mich groß zu machen, Arme und Beine zu strecken, damit ich den Ball vielleicht irgendwie berühre. Ist mir leider in dem Moment nicht geglückt. Heute reden wir noch darüber, doch ich habe es mit der Videoanalyse schon abgehakt und schaue schon wieder positiv auf das nächste Spiel.

"Ganz Fußball-Österreich hat gesehen, welche Qualität Drago immer noch hat"

LIGAPORTAL: Du hast mit Austria-Rückkehrer Aleksandar Dragović einen neuen Abwehrchef vor dir. Wie wichtig ist er auch für dich als gestandener Bundesliga-Torhüter?

Samuel Sahin-Radlinger: Drago ist seit Tag eins bei uns ein richtiger Leader, ob in der Kabine oder am Platz, selbst wenn er vielleicht noch nicht bei 100 Prozent ist. Nach dem gestrigen Spiel war er eh ziemlich fertig (lacht). Es war natürlich auch eine unglaubliche Hitze.

Ich habe es im Training schon bemerkt, und gestern hat es wohl auch ganz Fußball-Österreich gesehen, welche Qualität Drago immer noch hat – mit seiner Ruhe am Ball und seiner Erfahrung. Ich glaube, dass er gefühlt jeden Ball angebracht und richtig gute Pässe gespielt hat.

Er kann ein ganz wichtiger Schlüsselspieler für uns sein, vor allem im Spielaufbau. Generell fühlt sich jeder Nebenmann sicher mit ihm. Und wenn man das Fußballerische mal wegnimmt, ist er ein richtig feiner und guter Typ, der richtig gut in unsere Mannschaft passt.

"...dann wird mich diese neue Regel nicht vor große Probleme stellen"

LIGAPORTAL: Kommen wir zu einer neuen Regel, dass nur der Kapitän in strittigen Situationen den Dialog mit dem Schiedsrichter suchen darf. Gerade für Einzelkämpfer wie meinungsstarke Torhüter, wenn sie denn nicht die Binde haben, eine Einschränkung. Wie schwer fällt es dir, dich künftig da zurückzuhalten, und was ist deine Meinung zur Kapitäns-Regel?

Samuel Sahin-Radlinger: Ich habe gestern während des Spiels schon ein paar Mal daran denken müssen, wo ich bei einer Entscheidung normalerweise schon mal 20, 25 Meter in Richtung Schiedsrichter gelaufen wäre und mitdiskutiert hätte. Ich habe mich dann zurückgehalten.

Ich glaube aber, wenn man speziell als Torwart hin und wieder mal sachlich mit dem Unparteiischen spricht, dann sagt keiner etwas. Es ist immer wichtig, den nötigen Respekt zu zollen und vernünftig zu kommunizieren. Dann wird mich diese neue Regel nicht vor große Probleme stellen.

"Das ist wirklich ein Hexenkessel in Enschede"

LIGAPORTAL: Du bist seit vergangenen September bei Austria Wien unter Vertrag, warst in der vergangenen Saison noch in die Niederlande an Almere City FC ausgeliehen. In der Eredivisie warst du auch im Stadion De Grolsch Veste, der Heimstätte des FC Twente Enschede, wo morgen Abend der FC Salzburg im Rückspiel der Champions-League-Quali um den Aufstieg ins Play-off spielt. Wie hast du die "Twente-Festung" erlebt? Was erwartet die Roten Bullen atmosphärisch dort?

Samuel Sahin-Radlinger: Ich habe leider selbst in Enschede nicht mehr gespielt, aber ich habe die Stimmung im Stadion dort von der Bank aus erlebt. Das ist wirklich ein Hexenkessel. Die Stimmung war überragend, richtig gute Fans von Twente. Ich bin gespannt.

Für Salzburg war das späte Gegentor im Hinspiel natürlich sehr bitter, weil es mit einem 2:0 im Rücken doch anders gewesen wäre. Aber wenn ich die Auftritte in der Bundesliga gesehen habe, wie zuletzt gegen Blau-Weiß Linz, und sie diese Spielfreude samt gezeigten Tatendrang nach Enschede mitnehmen können, dann bin ich fest überzeugt, dass sie die Runde überstehen werden.

LIGAPORTAL: Danke Samuel. Alles Gute.

Das Interview führte Ligaportal-Chefredakteur Herbert Pumann

Fotocredit: GEPA-ADMIRAL und Josef Parak