Während Österreich Winter für Winter auf Hängen & Pisten performt, rockt Rot-Weiß-Rot nun auch im Sommer, bei der Fußball-EM 2024 in Deutschland. "Vater des Erfolgs" ist ausgerechnet einer aus dem Gastgeber-Land: Ralf Rangnick. Beim ÖFB-Teamchef wird man sich aus Respekt & Ehrerbietung das "P..."-Wort längst verkneifen. Der gebürtige Süddeutsche hat eine (Euro-) Euphorie entfacht und Österreich zum großartigen Gruppensieg geführt. Mit stolzen sechs Punkten, vor Vize-Weltmeister Frankreich, den Niederlanden sowie Polen. Die Reise geht weiter...das Rangnick-Team kann weit kommen, zumal das bisherige Nonplusultra dieser EM - Spanien - frühestens im Finale warten würde.

Happy Birthday, Ralf Rangnick! Der deutsche ÖFB-Teamchef wird heute 66 Jahre. Womit bekanntlich noch lang noch nicht Schluss ist...schon gar nicht bei dieser EM, wo der erfahrene Fußball-Trainer mit seiner Mannschaft den Flow auch in das Achtelfinal-Aufeinandertreffen mit der Türkei (Dienstag, 21 Uhr, Ligaportal-LIVETICKER) mitnehmen will. Für manche fängt ja die EM erst jetzt an, wird womöglich ab der K.o.-Runde das ein oder andere Team ein anderes Gesicht zeigen als noch in der Gruppenphase. Österreich dagegen will weiter jenes mitnehmen und noch weit kommen. Und so viel mal rein theoretisch...ein Duell des ÖFB-Teams vs. Deutschland, Spanien oder Portugal (...da war doch was zwischen Rangnick & Ronaldo aus gemeinsamer ManU-Zeit...) ist frühestens im Finale möglich...

Weiter geht´s in Rangnicks ehemaligem "Wohnzimmer" in Leipzig

Doch vorher heißt es natürlich im Allgemeinen von Spiel zu Spiel zu denken, im Besonderen in der K.o.-Phase. In der es gegen die Türkei nun für Ralf Rangnick in dessen zwischenzeitliches "Wohnzimmer" in Leipzig geht, der Heimstätte von RB Leipzig. Die natürlich auch Rangnicks Lieblingsschüler Christoph Baumgartner sowie Konrad Laimer und Marcel Sabitzer bestens vertraut ist.

Vertrauensvoll ist auch das Miteinander im ÖFB-Team. Da ist eine ersichtliche Einheit auf dem Platz, rennt in der Tat jeder für den anderen. Kollektiv schlägt individuelle Klasse. 1996 galt beim Europameister-Titel von Deutschland das Motto "Der Star ist die Mannschaft". Das scheint auch Trainer-Routinier Rangnick zu praktizieren. Vergleichbar aus nationaler Sicht mit dem fast gleichaltrigen Peter Pacult. Der 64-jährige Wiener schafft es auch Jahr für Jahr mit Außenseiter Austria Klagenfurt im österreichischen Oberhaus, dass seine Mannschaft für ihn durchs "Feuer geht" und seit dem BL-Aufstieg stets in der Meistergruppe landet. Pacult lässt seine Schützlinge dabei ebenso an der "langen Leine" wie Ralf Rangnick. 

Der bereits in seiner Zeit beim FC Red Bull Salzburg den Roten Bullen zu einem Quantensprung verhalf und die Basis für die folgenden Meistertitel en suite ebnete und nun mit dem ÖFB-Team auf Erfogskurs ist. Heute wird der deutsche ÖFB-Teamchef 66 Jahre jung... und Sie wissen ja...wie es im Evergreen des gebürtigen Kärntners Udo Jürgens lautete... mit 66 Jahren ist noch lang noch nicht Schluss.

Schon gar nicht bei dieser EURO! Was schon in seiner Red Bull-Zeit in der Mozartstadt galt, findet nun auf Nationalmannschafts-Niveau seine Fortsetzung: Rangnick ist ein Geschenk für den österreichischen Fußball, genießt große Reputation! Und sie wissen sicher beim ÖFB längst zu schätzen, dass ihr Visionär des runden Leders, liebevoll seit Jahrzehnten in seinem Heimatland und darüber hinaus als "Fußball-Professor" tituliert, der "Sommer-Versuchung" FC Bayern München widerstanden hat und statt dem Wechsel zum deutschen Rekordmeister sein "Werkl" beim ÖFB-Team weiterführt. Und zwar eindrucksvoll! 

Rangnicks Absage an FC Bayern war Zusatz-Schub für ÖFB-Team

Zwar waren Rangnicks Vorgänger, sein Landsmann Franco Foda und der smarte Schweizer Marcel Koller, mit Rot-Weiß-Rot bei den vorgehenden EM-Turnieren durchaus auch erfolgreich, doch bei allem Respekt, war doch gerade bei manch geneigtem Fan Franco Fodas Fußballstil frag- und kritikwürdig. Bei Rangnick wird nicht´s ermauert oder auf Sicherheit gespielt, gilt eher "Angriff ist die beste Verteidigung"...mutig, spiel- und offensivfreudig, zielstrebig. Ebenso Ballbesitz- wie Pressing-orientiert, griffig, wird stets auf Sieg gespielt...und auf das nächste Tor. Wie Sabitzer & Co. sowohl nach dem 3:1 gegen Polen als auch 3:2 gegen die Niederlande weiter den nächsten Treffer wollten, ist bemerkenswert. Kein Pragmatismus-Fußball ala Frankreich. 

Ansehnlicher, angriffsfreudiger und attrakiver Fußball made by Rangnick. Dessen Verständnis für Pressing-Power bereits in seinen jungen Trainer-Jahren begann, inspiriert von Dynamo Kiew-Trainer-Legende Lobanowskyi, der in den 80iger Jahren den Fußball auf diese Art revolutionierte (siehe auch Rangnick-Beitrag).

Ralf Rangnick ist akribisch, detailbeflissen, doch weit mehr als Trainer- und Taktikfuchs sowie Übungsleiter, sondern auch ein großartiger Psychologe und FÜHRUNGSkraft. Er schafft es über die intrinsische Motivation seiner Spieler noch mehr herauszukitzeln, das Wir-Gefühl zu prägen. Hunger nach Erfolg (was ja bekanntlich von er folgt kommt...), Gier, Galligkeit, Tatendrang, Willensstärke, Mentalität, Selbstverständnis... gepaart mit Freude am Fußball zu bewahren. So hat der ehemalige Trainer von Amateurmannschaften in seinen Anfängen hernach im Frühjahr 2011 den FC Schalke 04 als Unterdog nach einem Coup gegen CL-Titelverteidiger Inter Mailand in ein Champions League Halbfinale geführt.

Noch so einer von vielen gelungenen Schachzügen von Ralf Rangnick. Da sein Kapitän David Alaba verletzungsbedingt für die EM in Deutschland ausfällt, machte ihn der ÖFB-Teamchef kurzerhand zum "Co", lässt den seit 24. Juni 32-jährigen Wiener als "Non-Playing-Captain" einbringen. Mit Erfolg, denn die Erfahrung des viermaligen Champions League-Gewinners ist wertvoll. Doch nun geht es erst richtig los...mit der K.o.-Phase. "Jetzt ist ein neuer Wettbewerb", meinte gar Rudi Völler.

Der Psychotrick mit Baumgartner und anderes aus Rangnicks Repertoire

Der besonnene, in sich ruhende Rangnick weiß dank seiner langjährigen, geballten Erfahrung als Trainer (er begann diesen Job bereits mit 28 Jahren!) auch um diverse Psycho-Tricks. Wie vor dem zweiten Gruppen-Spiel gegen Polen, als er Christoph Baumgartner vor dem Match noch ein Foto via Handy schickte, das den RB-Leipzig-Legionär in Jubelpose zeigt und dass der Trainer seine Offensivhoffnung auch so gegen Polen sehen wolle per Tor. Was geschah (nachdem in der Halbzeitpause außerdem noch ein mehrminütiges Vieraugengespräch folgte), worauf der gebürtige Waldviertler nach seinem siegweisenden Treffer zum 2:1 noch schneller wie zuvor in den 16-er zur Coachingzone rannte und wußte, wo er sich zu bedanken hatte. Bei seinem Mentor...!

Der es bei diesem kontinentalen Turnier auch bei anderen Spielern schaffte, dass sein Vertrauen gerechtfertigt wurde und sie es ihm zurückzahlen (weiteres Beispiel: Die neue Nr. 1 Patrick Pentz).ö

So war es zwar sicher auch der Taktik geschuldet, dass im letzten Gruppenspiel gegen die Niederlande die gelb-vorbelasteten Leistungsträger Leimer, Baumgartner, Danso erstmals draußen blieben. Doch wie Romano Schmid, Patrick Wimmer und vor allem Alexander Prass ihr EM-Startelf-Debüt nutzten... Chapeau! Romano Schmid dankte es mit dem herrlichen Hechtkopfball zur 2:1-Führung, Patrick Wimmer wirbelte und rackerte als gäbe es kein morgen! Ja und Alexander Prass.

Alexander Prass wächst mit seinen (Abwehr-) Aufgaben

Mutig von Rangnick den beim SK Sturm Graz eher im Mittelfeld agierenden und weiter vorn Akzente setzenden offensivstarken Oberösterreicher als Linksverteidiger zu bringen. Wo der immerhin seit Mai erst 23-jährige Double-Gewinner gegen den trickreichen Topstürmer Donyell Malen defensiv eine wahre Challenge erlebte, sich dieser jedoch gewohnt giftig stellte, um dennoch auch die Offensive zu suchen und - wie schon nach seiner Einwechslung gegen Polen - wieder Wegbereiter eines Torerfolges zu sein. Ironie des Schicksals: Rollentausch - diesmal war Malen hinten zu finden und verwertete die scharfe Hereingabe von seinem Gegenspieler vom SK Sturm Graz per Eigentor zur österreichischen 1:0-Führung.

Rangnick beweist neben seiner Kompetenz und Fingerspitzengefühl jede Menge Mut. Wie zum Beispiel den im ÖFB-Team noch unerfahrenen 20-jährigen Leopold Querfeld in solch einer heißen Spielphase gegen die Niederlande zu bringen. Zwar kam der Ex-Rapidler und künftige Union Berlin-Abwehrakteu beim zwischenzeitlichen 2:2 etwas zu spät, warf ansonsten allerdings seine kämpferischen Tugenden in die Waagschale. Auch ein Zeichen für andere im Kader, die noch ihre Chance bekommen werden. Wie womöglich auch bald Marco Grüll, der wie Patrick Wimmer dribbelstark ist und das "Eins-gegen-Eins" sucht.

Fakt ist: Diese Mannschaft verrät in der Breite eine erstaunliche Leistungsdichte. Und hat - nicht zu vergessen - verletzungsbedingte Ausfälle von Schlüsselspielern wie dem etamäßigen Kapitän David Alaba und Mittelfeld-Motor Xaver Schlager, der bekanntlich für zwei rennt, kompensiert. Dazu der Team-Spirit. Da ist was gewachsen, das einen schon mal über sich hinauswachsen lässt und der Glaube in der Alpenrepublik Berge versetzen kann bei dieser EM.

Bisher konstante, offensivfreudige, mutige Leistungen

 Auch wenn es - wie in manch anderen Ländern natürlich auch - in Österreich stets im Fußball entweder ein himmelhochjauchzend oder zu Tode betrübt gibt und nichts dazwischen, wird Rangnick wohl nicht die entstandene Europhie dämpfen wollen, wohlwissend weiter "den Ball flach zu halten." Und das hat ja bisher bestens funktioniert. Neben Spanien, Portugal (Spiel 3 ausgenommen, wo fast die komplette Einser-Garnitur geschont wurde, da der Gruppensieg bereits fixiert) und Deutschland spielt (!) das ÖFB-Team bisher den konstantesten und effektivsten Fußball...!

Doch während die Fans, die sich im übrigen auch heuer - wie schon bei den Turnieren 2016 und 2021 - mit grandiosem Support europameisterlich präsentieren, im Lande Titel-Träume hegen und es bei einer EM schon Außenseiter wie Dänemark (1992, in Deutschland) und Griechenland (2004, in Portugal) vorgemacht haben, wird Ralf Rangnick sich treu und sachlich bleiben, um nicht die Bodenhaftung und den Fokus auf das große Ganze aus den Augen zu verlieren.

Doch wie sagte der Trainer-Guru noch gleich vor dem Turnier selbst, und da kommt auch der Diplomat in ihm durch, dass "wir Europameister werden, ist unwahrscheinlich". Nachsatz... "doch unmöglich ist es nicht"....!

In diesem Sinne...

Fotocredit: IMAGO/Matthias Koch und Jan Hübner